Stets ein wenig hungrig
Ein Hintergrundgespräch mit Lippold v.Rössing
„Wer sich für zu klug hält, um sich mit Politik zu beschäftigen, muss damit leben, von Menschen regiert zu werden, die dümmer sind als er.“ Mit diesem Zitat von Aristoteles beantwortet v.Rössing gerne die Frage, warum er sich der Politik verschrieben hat. Und fügt gleich noch hinzu: „Dass sich viel zu viele Menschen für zu klug halten, sieht man an der Qualität der Regierenden ….“
Der in Niedersachsen geborene Spross eines uradeligen Rittergeschlechts lacht, wenn er auf seine Herkunft und die damit allgemein angenommenen Privilegien angesprochen wird: „In unserer Familie gilt seit jeher der Grundsatz, dass der Familienbesitz nicht geteilt wird – der Erstgeborene kriegt alles, die anderen nichts – ich bin in der vierten Generation der Zweitgeborene – das ist nichts hoch vier!“
Allerdings sieht sich v.Rössing durchaus in der Tradition seiner Familie, die stets streitbar und auf Unabhängigkeit aus war: „Ein Rössing hatte immer zunächst Soldat zu sein, sodann Bauer – wenn er Landbesitz hatte.“ So war auch der liberale Politiker zunächst sechs Jahre Soldat, u.a. in einer Elite-Einheit der NATO, die zur europaweiten Terrorbekämpfung vorgesehen war.
Da es keinen Hof zu übernehmen gab, wurde v.Rössing Rechtsanwalt, später Insolvenzverwalter. „Meine Aufgabe ist es, unabhängig und im Auftrag des Gerichts Lösungsmöglichkeiten für Menschen und Unternehmen in wirtschaftlichen Notlagen zu finden und diese auch umzusetzen“ erläutert er seine berufliche Tätigkeit. Er habe dabei kein gutes Bild von Politikern gewonnen, die manchmal nur wenige Wochen vorher in den Betrieben beim Feiern gewesen seien, aber in der Stunde der Not verschwunden waren. Auch vermisse er oft ein Mindestmaß an Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, wenn sich Politiker in spektakulären Insolvenzfällen lautstark zu Wort meldeten.
Stolz ist v.Rössing darauf, dass es ihm gelungen ist, in den vergangenen Jahren manchen Betrieb im Landkreis zu sanieren und Arbeitsplätze dauerhaft in der Region zu halten: „Wenn ein alteingesessenes Unternehmen nicht zerschlagen sondern fortgeführt wird, rettet dies hunderten von Menschen und einer Vielzahl von Lieferantenbetrieben dauerhaft die wirtschaftliche Existenz“. Dabei habe er seine Heimat und die darin lebenden Menschen bestens kennen und ihren Mut, ihr Durchhaltevermögen und ihren Willen zu harter Arbeit aber auch ihren Eigensinn schätzen gelernt.
Politik bedeutet daher für v.Rössing, der Energie, Kreativität und dem Engagement der Bürger Freiraum zu geben statt durch staatliche Bevormundung die Lösung von Problemen zu behindern. „Hilfe der Gemeinschaft soll den Schwachen in der Gesellschaft vorbehalten bleiben, die Starken können für sich selbst sorgen – ein Staat, der sich um alles kümmert und allen „helfen“ will ist totalitär und unbezahlbar“.
Allerdings hat der Liberale keinerlei Verständnis für mancherorts geäußerte Forderungen nach einem weitgehenden Rückzug des Staates; für romantische Träumereien sei in der Politik kein Platz: „Der Staat muss da, wo er gefordert ist, stark sein und sein Gewaltmonopol mit Macht durchsetzen: Äußere und innere Sicherheit, Bürgerrechte und Freiheitsrechte, Justiz und Polizei, Rechtsetzung und Kontrolle – da darf es keine Schwäche geben, wenn nicht die Legitimität der Staatsgewalt leiden soll. Was man macht, soll man richtig machen – dieser Grundsatz gilt im privaten wie im öffentlichen Leben!“
Man habe dies in den vergangenen Krisen deutlich sehen können:
In der Finanzkrise: Der Staat versuchte der bessere Banker zu sein – und scheiterte. Stattdessen hätte er der beste Kontrolleur sein müssen – dazu war er aber zu schwach und inkompetent.
In der Corona-Krise: Es hätte ein ausgewogenes Handeln zwischen (Eigen-) Verantwortung und Freiheit geben müssen. Stattdessen regierten Bevormundung, Hausarrest und die Ignoranz gegenüber den Rechten von Kindern und Jugendlichen – was im Nachhinein die Gerichte der Politik ins Stammbuch schrieben.
In der Energiekrise: Es wurden Unsummen zur Abwehr der Folgen der Krise ausgegeben, so dass für die Beseitigung der Ursachen kaum noch Mittel vorhanden sind.
Dabei sei das Schlimmste: Es bestehe keine Einsicht, Fehler begangen zu haben. Die nächsten Krisen würden schneller kommen als die Kassen wieder aufgefüllt werden könnten – „Sie werden es wieder tun!“ ist Rössing überzeugt davon, dass es kein Umdenken gebe und verweist auf Programme wie „Kurs halten“ und die Reden der Verantwortlichen: „Wir haben alles richtig gemacht“.
Fazit: Der Staat solle sich in wenigen, notwendigen Dingen betätigen, dort aber wirksam, kraftvoll und effizient. Die staatlichen Ressourcen seien darauf zu konzentrieren. Im Übrigen habe sich der Staat aus den privaten Belangen der Bürger herauszuhalten, so v.Rössing. Unfähigkeit wie in der Schaffung eines einfachen Steuerrechtes, bei der Bankenaufsicht und Regulierung der Finanzmärkte oder bei der Beseitigung der Vorschriftenflut könne nicht länger hingenommen werden.
Zwar werde dieses FDP-Programm von fast allen Fachleuten und großen Teilen der Bevölkerung für richtig weil notwendig erachtet, aber an der Durchsetzung mangele es noch erheblich, findet der Liberale. Bequemere wenn auch falsche Parolen kommen eben besser an.
Dabei könne es aber nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun; Aufgabe der Politiker sei es, das Richtige zu tun und es populär zu machen – so wird der Alt-Bundespräsident Walter Scheel zitiert.
Hier sieht v.Rössing eine Herausforderung, der er sich stellen möchte: Liberale Politik in größtmöglicher Unabhängigkeit offensiv zu vertreten – diese Aussicht ist es, die ihm ein kämpferisches Glitzern in die Augen treibt. Gestützt auf eine starke örtliche Basis, verantwortlich den Menschen die ihn kennen und unterstützen, so will v.Rössing ein Landtagsmandat erringen und „richtige“ Politik machen. Dafür werbe er und „will doch ´mal sehen, ob es so nicht auch geht…“
Privat lebt der verheiratete Vater von vier Kindern in der Gemeinde Grattersdorf. „Wir sind dort vor mehr als zwanzig Jahren sehr warmherzig und offen aufgenommen worden“ schwärmt der passionierte Reiter, der dort auch Pferde am Haus hält.
Überhaupt scheint Sport eine Leidenschaft des durchtrainiert wirkenden Liberalen zu sein: Ob „Klassiker“ wie Laufen, Schwimmen, Schießen, Reiten und Fechten – v.Rössing trainierte diese Disziplinen des Modernen Fünfkampfes immerhin einmal im Nationalkader – oder Beach-Volleyball und Segeln – dem hochmotiviert wirkenden 57-Jährigen nimmt man seinen Wahlspruch „stets ein wenig hungrig zu sein verhindert; dass man sich zu satt benimmt“ durchaus ab – satt und selbstzufrieden wirkt er nicht.